Emma Kuphal und Denise Stallmann mit ihren Töchtern. Foto: TG-Foto
21.01.2020 - Auszubildende sind begehrt. Trotzdem fiel es Denise Stallmann und Emma Kuphal schwer, einen Betrieb zu finden. Der Grund: Beide haben kleine Töchter, können nur in Teilzeit arbeiten. In Haselünne fanden sie endlich einen Betrieb, der Verständnis für ihre familiäre Situation hat.
Beide junge Frauen hatten ähnliche Probleme: Eine Ausbildung als Kauffrau im Büromanagement in einem Unternehmen zu beginnen, nicht weit von daheim. „Als junge Mama ist man nicht mehr so flexibel und kann nicht Vollzeit arbeiten. Dazu kommen noch eventuelle Fehltage, wenn das Kind krank ist. Das schreckt viele Betriebe ab“, sagt Kuphal.
Die 22-Jährige hat das Fachabitur im Bereich Wirtschaft. Sie erzieht ihre ein Jahr und neun Monate alte Tochter Mathilda allein. Das erfordert ein besonderes Alltagsmanagement. Gerade auch im beruflichen Bereich. Bei der Firma Heinrich VOSS Gebäudetechnik GmbH in Haselünne rannte sie offene Türen ein. „Ich habe zum Glück nicht allzu lange gesucht, da ich hier die Chance bekommen habe, meine Ausbildung zu absolvieren“, freut sich die Haselünnerin.
Sie begann im August 2017 eine Ausbildung zur Hotelfachfrau in einem renommierten Hotel in Osnabrück. Als sie kurz darauf schwanger wurde, brach sie die Ausbildung im Dezember ab. “Ich merkte, dass der Beruf so mit meiner Lebenssituation nicht vereinbar ist, bin zurück nach Haselünne gezogen“.
Die Zahl der zuvor bekommenen Absagen hält sich in Grenzen. Allerdings musste die junge Mutter mehrfach feststellen, „dass vielen Unternehmen das Modell einer Teilzeitausbildung leider nicht bekannt ist“ und sie sich dementsprechend noch nicht damit auseinandergesetzt hätten. “Firmen schreckte nicht unbedingt ab, dass ich ein Kind habe. Sie wussten einfach nichts über dieses Ausbildungsmodell.“
Kuphal ließ sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen. „Ich möchte für meine Tochter ein gutes Vorbild sein und zeigen, dass man alles schaffen kann, auch wenn man jung Mama geworden ist.“ Das ist für ihre Arbeitskollegin Denise Stallmann ebenfalls Motor. „Ich möchte als Mutter selbstständig im Beruf stehen und meinem Kind ein gutes Vorbild zu sein“. Auch die 26-jährige Mutter der zweijährigen Lilly-Claire hatte Probleme, eine Ausbildungsstelle zu finden. „Es war nicht einfach, einen Betrieb in der Nähe zu finden, der eine Auszubildende mit Kind nimmt“. In Twist war sie drei Monate beschäftigt. „Ich habe aber leider schnell festgestellt, dass der Weg zu weit war und das alles nicht mit dem Kind passte“. Mit Unterstützung des Berufs- und Technologiezentrums (BTZ) des Handwerks wurde sie schnell fündig. Bei VOSS in Haselünne, ist dort im dritten Ausbildungsjahr.
Der Aufwand an Formalitäten war für die Firma „nicht viel größer als bei ’normalen’ Auszubildenden“, berichtet der dortige Ausbilder Mario van der Ahe. „Es war maximal ein Antrag mehr. Und flexible Arbeitszeitmodelle gibt es bei uns im Betrieb ja bereits in verschiedenen Bereichen."
Mit ihrem jetzigen Betrieb sind beide jungen Mütter mehr als zufrieden. „Ein toller und familienfreundlicher Betrieb mit verständnisvollen Kollegen. Auszubildende werden hier super unterstützt und genießen eine vielseitige Ausbildung“, betonen sie. Kuphal, im ersten Ausbildungsjahr, ist 14 Stunden im Betrieb, Stallmann 22. Dazu kommt Unterricht, sodass beide pro Woche 30 Stunden arbeiten. Andere Auszubildende kommen auf 40 Stunden.
„So ist alles relativ problemlos zu schaffen. Wir können unsere Kinder in die Kitas in Haselünne bringen und den Alltag gut organisieren“, freuen sich die jungen Frauen. Das Teilzeitmodell sei eine große Entlastung. „40 Stunden würde man vielleicht auch irgendwie hinbekommen, aber eben mit Hängen und Würgen.“
Anke Voss hört das natürlich gern. Sie ist in der Geschäftsleitung im Betrieb tätig und unter anderem für Personalangelegenheiten zuständig. Über das BTZ entstand der Kontakt zu Stallmann, die in Haselünne wohnt und der es schwer möglich war, weiter zu ihrem Ausbildungsbetrieb nach Twist zu fahren. „Da wir grundsätzlich offen für unterschiedliche Arbeitszeitmodelle sind, wurden wir neugierig und haben uns mit dem BTZ und Denise Stallmann getroffen. Das war im Herbst/Winter 2018. Da wir direkt einen guten Eindruck hatten, wir ihr eine Chance geben wollten und dies auch durch unser Abteilungswesen kapazitätsmäßig einrichten konnten, haben wir zum 1. Dezember 2018 einen Kooperationsvertrag mit dem BTZ geschlossen.
Im Sommer 2019, im zweiten Ausbildungsjahr, bekam die 26-Jährige bei der Firma VOSS einen „richtigen“ Ausbildungsvertrag. Bisher war sie in den Abteilungen Einkauf und Finanzbuchhaltung tätig, wechselt jetzt in die Abrechnung. „Uns ist es wichtig, dass die Auszubildenden so viele Abläufe wie möglich im Unternehmen kennenlernen, mit unterschiedlichen Mitarbeitern und Arbeitsweisen in Berührung kommen und so viele Erfahrungen wie möglich machen können“, betont Voss.
Am wichtigsten aber sei es, „dass sie sich wohlfühlen und ihnen Respekt und Vertrauen entgegengebracht werden“. Nur dann könne man das auch von den Auszubildenden erwarten. 150 Mitarbeiter, darunter 25 Frauen, beschäftigt das Familienunternehmen derzeit. Die Teilzeit-Azubis wissen das gute Arbeitsklima zu schätzen. „Es macht einfach Spaß. Wir dürfen Verantwortung übernehmen, kommen uns nicht wie Hiwis , sondern wie Kollegen unter Kollegen vor“, betont Kuphal. Diese Zufriedenheit übertrage sich auf das Familienleben. Mehr noch. „Man fühlt sich nicht nur als Mama, sondern dass man gebraucht wird“, ergänzt Stallmann.
Im nächsten Prüfungszyklus im Juni will sie ihre Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement abschließen. Wird sie danach übernommen? „Grundsätzlich können wir uns das vorstellen. Wir müssen jedoch auch Stellen frei haben. Es sind einige Mitarbeiterinnen derzeit in Elternzeit, und da kann es durchaus sein, dass sich etwas ergibt“, macht Voss durchaus Hoffnung auf einen festen Job.
Bis zu dem ist der Weg für Kuphal noch etwas länger. Sie wird seit August 2019 bei VOSS ausgebildet. Im Winter 2018 hatte sie sich in Haselünne beworben und ein mehrtägiges freiwilliges Praktikum gemacht. „Auch bei ihr hat sich gezeigt, dass wir als Arbeitgeber punkten konnten und sie sich auch gleich von Anfang an bei uns wohlgefühlt hat“.
Die 22-Jährige war bisher in der Abteilung Anlagenbau und dort in der Projektorganisation tätig, wechselt jetzt im Februar in den Einkauf. Da sie erst im ersten Ausbildungsjahr ist, sind ihre Zukunftsperspektiven schwerer zu beurteilen. „Es kommt einfach darauf an, was sie später machen möchte und ob und in welchem Bereich wir ihr etwas anbieten können. Da ist wirklich noch alles offen.“ Bisher schlage sie sich, wie auch Stallmann, sehr gut, Beide seien pünktlich, zuverlässig und sympathisch. Die übrigen Mitarbeiter seien bis jetzt sehr zufrieden mit beiden und ließen sie ungern aus den jeweiligen Abteilungen ziehen.
Die Firmenleitung der Heinrich VOSS Gebäudetechnik GmbH hat als Arbeitgeber „größten Respekt vor der Leistung dieser jungen Mütter. Es gehört ein gutes Selbst- und Zeitmanagement dazu, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen und allen Erwartungen gerecht zu werden, besonders in so jungen Jahren.“ Soweit möglich, versucht der Betrieb, beide jungen Mütter zu entlasten. Verständnis zeigen alle, wenn ein Kind einmal krank und die Betreuung durch die Mutter notwendig ist. „Da halten wir es so wie mit allen anderen Mitarbeitern auch: Nur zufriedene Mitarbeiter geben ihr Bestes und sind uns loyal gegenüber. Und junge Eltern können nur arbeiten, wenn zu Hause alles geregelt ist. Da geht Familie einfach vor“, sagt Anke Voss. Sie ist selbst Mutter von zwei Kindern im Alter von vier und 15 Jahren.
Sie hofft, dass beide junge Frauen, wie auch alle anderen 16 Auszubildenden, so viel wie möglich von ihrer Ausbildung profitieren und auf ihrem weiteren Lebensweg auf einem starken beruflichen Fundament aufbauen können - egal ob bei VOSS oder anderswo.
Artikel zum Download, Quelle: ePaper der Meppener Tagespost vom 21.01.2020
Quelle: https://www.noz.de/lokales/haseluenne/artikel/1980265/kind-und-ausbildung-bei-voss-in-haseluenne-geht-das, 21.01.2020